lichtes gold der osterglocken

 


auf dem friedhof sihlfeld stiess ich auf riesige schalen voll leuchtender osterglocken. in alle richtungen versprühen sie goldenes licht, das aus einer anderen sphäre zu stammen scheint

noch lebe ich hier auf erden, jedoch schwer krank, und bewältige den alltag auf eine inzwischen wohl seltsame art, ... auch wenn das niemandem auffällt. fragt also lieber nicht wie. mit ausnahme von zeichnen, malen und schreiben mache ich nur noch das nötigste und dies unter sinnlos grossem kräfteaufwand. es scheint mir, dass ich auf diese weise mein fortleben hinausdehne, etwa wenn ich lebensmittel für eine - wenn auch nur kurze - zukunft erstehe. das ist paradox, denn eigentlich ist mir nicht mehr nach weiterleben. aber in der wohnung verhungern geht auch nicht

ich sehne mich nach einem raum, in dem ich endlich von all diesen verpflichtungen lassen kann, um mich ganz dem hinwenden zu können, was jetzt ansteht - dem sterben, dem endgültigen abschied von dieser erde. das geht schwerlich, so lange ich mit letzter kraft für mich aufkommen muss und mich so täglich auf ein weiterleben ausrichte. zum glück bietet sich bei uns ein ausweg an mit einem sterbe-hospiz

es ist jedoch nicht einfach, dorthin zu gelangen, weil es kaum gesprächspartner dafür gibt. ein hospiz ist nicht ein ort, an dem sterben gemäss unserem zeitgeist organisiert und möglichst kontrolliert zum richtigen zeitpunkt erfolgt. vor allem sollten wir dort zeit finden, innerlich für diesen letzten schritt reifen zu können. eine erfahrene und einfühlsame mitarbeiterin eines hospiz hat mich ermutigt, rechtzeitig in das hospiz einzutreten, damit ich mir diese zeit eben noch nehmen kann. wie entlastend 

die meisten menschen wenden sich jedoch sofort von diesem thema weg, erinnern mich an dinge, die in meinem alltag noch immer erfreulich sind, oder bieten mir auf berührende weise viele kleine hilfen für den alltag an. für manche davon bin ich sehr dankbar. dass ich aber insgesamt am ende bin und nur noch eine entlastung in allen bereichen mir die nötige ruhe und geborgenheit geben könnte, das ist für viele zu schwierig. mit dieser einsicht fühle ich mich sehr allein

angesichts des todes tritt - zumindest bei mir - die bedeutung der äusseren welt in den hintergrund. ich möchte jedoch weiterhin menschen um mich herum, die fähig sind, mich bei dieser umorientierung zu begleiten. ich möchte dafür nicht auf fachpersonen verwiesen werden, sondern wünsche mir eine kultur, in der wir alle einander in diesem wichtigen lebensschritt beistehen können, so wie wir selbstverständlich über eine bevorstehende geburt reden und uns gemeinsam darauf freuen. wieso soll sterben, wenn auch für die zurückbleibenden traurig, nicht ebenso hoffnungsvoll verlaufen wie geboren werden? schliesslich werden wir von allen irdischen lasten erleichtert und gehen ein ins licht