irgendwo beim frühstück, eine scheibe täglich brot vor mir auf dem teller, an einem anderen tisch vis-à-vis einer, vor sich eine scheibe der anderen art, das täglich brett vor dem kopf, geistesabwesend kauend ...
ja worauf wohl? - ich konnte mich nicht zurückhalten und musste den anblick dieses typen und den einfall dazu sofort in einer zeichnung in meinem skizzenbuch festhalten ...
später habe ich ein tabu gebrochen und als experiment das ganze vaterunser systematisch umgeschrieben, indem ich in die literarische form eines gebets inhalte - also die begriffe - eines 'digitalen reiches' einfügte. (nun ja: es waren auch nur menschen aus fleisch und blut, welche die urversion verfasst haben, die wir heute für heilig halten und seit jahrhunderten beten!) und siehe: das resultat spiegelt ohne weiteres verbreitetes, alltägliches benehmen! zahllose menschen scheinen nicht mehr zu einem vater im himmel zu beten, sondern sich ihr heil aus der digitalen technologie zu versprechen. das internet scheint zu einem raum der zuflucht geworden zu sein, der sie mit allem versorgt und in dem sie sich unendlich aufgehoben fühlen. es gleicht dem paradies. damit wäre diese technologie nicht mehr einfach ein werkzeug, das wir benutzen (wie z.b. eine zange, eine küchenmaschine, ein steichholz etc.), sondern zu einem mythos geworden. auf dies mit dem folgenden 'gebet' aufmerksam zu machen ist wahrscheinlich ebenso tabu: es darf doch nicht wahr sein, dass wir uns, die wir stolz über diese technik verfügen, in ihr eine macht sehen, der wir uns so ausgeliefert fühlen wie früher einem gott
haltung der hände: nahezu gefaltet! |
vater unser im internet
geheiligt seien deine provider
dein netz komme
mögen deine apps geschehen
wie im netz so auf pc's, tablets und smartphones
unser täglich brett vor den kopf
nagle uns heute
und vergib uns unsere shitstorms
wie auch wir vergeben anderen nutzern
und ziehe uns nie den stecker
sondern erlöse uns vom wirklichen leben
denn dein sind das netz
der strom und die bildschirme
in ewigkeit
amen
das gedicht vaterunser (link zu audi-version) wurde vertont. stimmen: frank wartenweiler und veronika ehrensperger; komposition, arrangement und harfe: veronika ehrensperger
dann stehen wir dabei meist still, ziehen etwas die schultern hoch und beugen den kopf - genau wie beim beten, eine geste des bittens, der demut und der unterwerfung. manchmal, wie in der figur rechts unten, ist der kopf fast rechtwinklig abgebogen, was mich an unterwerfung im sinne von sühne, reue und busse denken lässt
manche menschen bewegen sich im öffentlichen raum einzig auf ihr smartphone bezogen und ohne auf ihre umgebung zu achten - als wollten sie vollständig isoliert bleiben ... so wie mönche in ihren zellen von der welt abgeschieden leben
natürlich verbreiten betende und mönche eine ganz andere stimmung als nutzer von smartphones; sie werden auch von ganz anderen motiven angetrieben, aber die parallelen sind dennoch auffällig
für schnelles vorwärtskommen: mächtiger digitaler brüter und tolle waden dazu!! |
tabu ist eine reihe von kurzen berichten zu themen, über die niemand ein wort verliert, weil wir alle denken, dass wir es schon besser wissen und uns deshalb schon gar keine gedanken mehr zu machen brauchen. weitere berichte siehe labels, stichwort "tabu"