zwei gedichte



vermächtnis

 
mir ist kalt
ich lief durch schneegraupel
der körper schreit
und ächzt vor schmerz
 
was ist mein vermächtnis
an diese welt
aus der ich scheide?
 
hütet eure tränen
menschen
tragt sorge zur trauer
denn eure tränen
sind eure liebe
und kommen vom herzen 

du trauerst um das
was du lieb gewonnen hast
was dir genommen wurde
was daran ist zu vergehen
für immer

ich habe die erde liebkost
sie ist meine mutter
sie ist meine kind
zärtlich mit nackten füssen
ihre wärme gespürt
den feuchten, kühlen morgentau
gejauchzet vor freude
über tausend geschmäcker
in meinen füssen

anordnungen und moral
haben mich nicht dorthin geführt
sondern wurden
mit der zeit 
zu toten schienen

nein, erinnerungen daran
wie es ist
kind zu sein
neugierig
und mit offenem geist

zärtlich die welt erforschen
zärtlich der welt begegnen
zärtlich berühren
was um mir ist
 
audioversion (link) mit musik von veronika ehrensperger
 


der wind reisst mich fast von der strasse


'schont es?'
fragt die eine
und strahlt
es ist ein geheimnis
'ja', sag ich
und geh raus
aber der wind
reisst mich 
fast von der strasse

'willst du nicht 
grössere bilder malen?'
fragt eine andere
'schon', sag ich
nur fehlen mir kraft
und vielleicht das papier

ich hätt überdies
noch was zu sagen
und sogar die stimme ...

wirklich?

kommt nicht das licht?
und sagt:
's'wird zeit für dich
allmählich 
zu gehn

ist's deshalb
dass ich mich weit weg fühl
von allem?

audioversion (link) mit musik von veronika ehrensperger