es kostet mich inzwischen viel hier raus zu fahren, auf einen kaffee und heute bei regen. aber ich tue es, um einen halbwegs normalen tag zu erleben. zeichnen bringt mich wieder auf den boden, auch wenn ich zunächst heute am anfang still einen schweren schmerzstoss durchstehen musste. im café kann ich nicht einfach losschreien ...
während des mittagessens habe ich ihr mitgeteilt, dass ich künftig allein essen werde. wir sind nicht freunde sondern eine zufällige schicksalsgemeinschaft. ich habe mehr ihr gesellschaft geleistet als sie mir, aber jetzt fehlt mir die kraft. zu krank bin ich inzwischen. zu sehr strapaziert sie mich - ohne dass sie es merkt. sie hat es mit fassung genommen, sie habe ja einen neuen fernseher ... und dann verlor sie sich in klagen darüber, wie lange sie auf die reparatur warten musste. wie habe ich diese art monologe monatelang ausgehalten? manchmal konnte ich einen blick tief in ihre seele und ihr langes leben werfen. in solchen momenten spürte ich eine tiefe einsamkeit, die mir weh tat - deshalb
heute hat mich die todesanzeige einer nahen freundin erreicht, die sich vom leben, von ihren angehörigen und mir mit exit verfrüht verabschiedet hat. ihre fröhlichkeit als kleines mädchen, ihre wachheit und intelligenz sind mir gegenwärtig, als sässe sie anlässlich eines besuchs von mir heute neben mir im garten ihres elternhauses. in den vergangenen jahren lernte ich ihre depression hautnah kennen und andere ihrer nöte. fassungslos weine ich über den verlust. ebenso fassungslos frage ich mich, wie ein mensch, mit dem ich täglich und mit anteilnahme den tisch teile, ihrerseits ohne anteilnahme über meinen schmerz hinweg gehen kann mit ihren beschwerden wegen eines kaputten fernsehers
ja, man kann sich an den kopf langen über unsere menschheit ...
tageszeichnung - motto
kritzeln statt surfen
zeichnung statt zeitung