tabu I - über schuhe



kaum bist du aus eigener kraft aufgestanden und hast mit grossem vergnügen die ersten schritte gewagt, barfuss natürlich, werden deine füsse in klotzige prothesen gepackt. man nennt sie schuĥe. und die musst ...
du jetzt tragen, immer, auch wenn du das nicht magst. psssst! du gewöhnst dich schon an diese starren, engen und manchmal harten dinger und vergisst dann, wie sich das leichtfüssige und federnde barfussgehen anfühlt. irgendwann wirst du vor allem wert darauf legen, dass deine schuhe modisch und elegant aussehen

ganz allmählich verformen klassische schuhe deine füsse. die von der biologie nicht vorgesehene erhöhung des absatzes kippt den ganzen körper leicht nach vorn und setzt so eine serie kompensierender knicke entlang der körperachse in gang. du bemerkst sie kaum, aber über die jahre führt dies zu einer gründlichen, chronischen fehlhaltung. schliesslich zwingen dich absatz und harte oder dicke sohlen zum unnatürlichen gehen über die ferse




kein wunder, wenn du eines tages unter starken schmerzen buchstäblich zusammenklappst. starre sohlen, enges fussbett und erhöhter absatz sind nicht stützen (wieso solltest du überhaupt welche brauchen?), sondern dienen ausschliesslich deinem nachteil. vielleicht beklagst du nach jahren hässliche missbildungen an den füssen. vielleicht fängt es an zu schmerzen: im rücken, in den füssen selbst, in den gelenken, den knien und hüften ... ganze organe verformen sich. vielleicht stürzt du gelegentlich und verletzt dich. an den schuhen kann es unmöglich liegen, denkst du, denn du trägst modelle, welche andere auch tragen, und bewegst dich ja ganz normal. also gehst du zum arzt: der gibt dir wahrscheinlich prompt eine andere, interessanter klingende diagnose und verschreibt dir ebenso interessante dinge: teure therapien, operationen, (fitness-)trainings, einlagen, immer dickere dämpfungen der absätze, gehhilfen wie stöcke oder krücken bis hin zu einem rollator ... der fantasie sind hier keine grenzen gesetzt. es ist deshalb angemessen, dass du dich das was kosten lässt. dies hält die wirtschaft am laufen! die geschäfte vieler anderer können aufblühen




es erstaunt mich nicht, wenn du meine ausführungen für irren quatsch hältst. es macht mir auch nichts aus, denn den schaden trägst ohnehin du allein, bis zum bitteren ende. und zweifel passen hier zu einer von dicken schuhsohlen gedämpften lebensweise. allerdings könnte ich dir von wundern erzählen, seit ich nach 40 (!) jahren rückenleiden und vielen, teuren therapien und trainings all meine klotzigen - gesunden! hihihi ... - schuhe auf den müll geworfen habe. anstatt dessen gehe ich viel barfuss und bin seither beschwerdenfrei

endlich habe ich richtig gehen gelernt, so wie es die natur vorgesehen hat und nicht so wie erziehung und schuhindustrie es vorschreiben: nicht mehr über die ferse, sondern über den vorfuss. der gang über die ferse ist womöglich das schlimmste aller übel, denn er schaltet die körpereigene stossdämpfung direkt aus. die ferse kennt nämlich keine dämpfung! und keine noch so dicke dämpfung des absatzes kann die zerstörerische wirkung der heftigen stösse neutralisieren, die bei jedem schritt von unten nach oben durch unser sekelett jagen. nein! für diese kräfte hat der menschliche organismus eine reihe elastischer federungen in bändern und muskeln vorgesehen, die nur dann wirksam werden, wenn wir mit dem vorfuss auftreten. wie glaubwürdig ist eigentlich eine medizin, in der mich während meiner 40 jahre dauernden leidensgeschichte am rücken nicht ein einziger arzt auf diese grundlegenden und simplen zusammenhänge hinweisen konnte? ja es schien eher, dass keiner auch nur eine ahnung davon hatte ...

wohl trage ich noch heute häufig schuhe, allerdings nur solche, die die beschriebenen biologischen gegebenheiten berücksichtigen: sehr weiche und bequem geräumige, in denen man auf ultradünnen und extrem biegsamen sohlen fast wie barfuss geht. ich habe verschiedene modelle getestet. fazit: es gibt weltweit nur ganz wenige hersteller, die sich darauf wirklich verstehen! bei guten modellen meine ich: diese erfahrung würde auch dich von den socken hauen, vielleicht auch aus deinen alten schuhen ... das ist dir zumindest zu wünschen, wäre aber für dich wahrscheinlich zu billig, oder nicht?

zwei warnungen möchte ich anfügen:
  1. den gang über den vorfuss zu beherrschen, das braucht seine zeit. und erst wenn man diesen so gut beherrscht wie den fersengang, ist man in der lage, ein klare wahl zu treffen ...
  2. mit dem gehen über den vorfuss ändert viel anderes: aufmerksamkeit, wahrnehmung und denken werden klarer. auch die geistige beweglichkeit wächst, mit all dem jedoch ebenso der sinn für unbequeme wahrheiten, denn die dämpfung entfällt nicht nur an den schuhsohlen ... ob du so etwas gewachsen bist?

ich kenne nur einen arzt, der dazu geforscht und publiziert hat. einfach und anschaulich geschrieben, lesenswert und für mich äusserst lehrreich ist:
dr. med. peter greb: ballengang, koha-verlag, burgrain 2000
mehr informationen und videos von ihm ausserdem über godo-impuls 




vergangenen sommer in den alpen unterwegs ... welches vergnügen während stunden barfuss über wiesen zu gehen. aber: ist das nicht zuviel an - verbotener - lust und sinnlicher freude?


Foto: Reto Ingold


ja, welche lust mit nackten füssen in den warmen, rieselnden sand der sahara zu sinken, hier beim abstieg von einer steilen düne im märz 2018. (mehr siehe tunesien I - sahara und tunesien III - gästehaus hazoua) vielleicht sind die wahren gründe für das tabu darüber, wie schädlich konventionelle schuhe unserer gesundheit sind ...
  1. die unverhohlen zur schau getragene, sinnliche lust mitten am tag, die mit dem barfussgehen verbunden ist
  2. die offensichtliche verweigerung von gehorsam gegenüber einer gesellschaftlichen norm, wenn man in aller öffentlichkeit die schuhe auszieht und barfuss geht

es gab zeiten, das erzählen antike skulpturen, da war das mal anders ...




tabu ist eine reihe von kurzen berichten zu themen, über die niemand ein wort verliert, weil wir alle denken, dass wir es schon besser wissen und uns deshalb schon gar keine gedanken mehr zu machen brauchen. weitere berichte siehe labels, stichwort "tabu"