kürzlich meinte bernhard bei einem nachtessen, dass ich mit ihr eine psychoanalyse mache. ich verneinte, muss ihm aber nach einer begebenheit heute recht geben. vermutlich würde sogar sigmund freud zustimmen. aufgeregt berichtete sie mir, dass der 'sonderling' sich ihr genähert und ihr sein ganzes leben erzählt habe. sie konnte es nicht fassen. ihre schilderung bewies, dass sie ihm wiederholt einfühlung entgegengebracht hatte. sie weiss und erkennt das allerdings nicht, weil das eine für sie noch immer fremde welt ist
während monaten habe ich mich für ihre früheren jahre interessiert wie wohl niemand sonst - aus eigennutz: nur damit mir nicht langweilig war bei unseren täglichen mittagessen. ansonsten hätte ich, gefangen in diesem durch das asyl bedingten 'setting', endlose schilderungen über öde banalitäten ertragen müssen. nebenher ordnete sie so ihre vergangenheit und stattete sie mit neuem sinn aus. tja, das ist tatsächlich, was in einer psychoanalyse geschieht. ausserdem entsteht quasi nebenher einfühlungsvermögen
randbemerkung: wegen einer sache würde freud mit mir ins gericht gehen. ich dürfte um keinen preis mit ihr essen (wegen der in der psychoanalyse so wichtigen abstinenzregel!) andrerseits: jeden tag eine stunde zu einer fixen zeit, das ist typisch freud. nicht einmal bernhard weiss da so genau bescheid