unscheinbar XI - wuchert es ...




... in hellem grün aus den unterschiedlichsten töpfen rund um mich herum. gelegentlich leuchtet irgendwo eine blüte auf. da sitze ich wieder im gleisraum des sphères, der alten industriefenster wegen in einem ...  weisslich abgedämpften licht, bei cappuccino und einem himmlischen croissant. das ist pures glück, wie immer dort, ein kleines glück und zugleich gibt es kein grösseres

als nächstes wuchern ebenso wild stifte, blöcke, skizzen und notizen auf meinem tisch. womöglich ist es der wildwuchs rundum, der den wildwuchs inspiration in gang setzt und mir erlaubt, mich in träumereien zu verlieren

erst ging der rote sturmschirm verloren diese woche, dann eine erste brille und kaum zwei tage später eine zweite ... oder hatte ich diese dinge einfach weggeben? vielleicht suchten sie von sich aus das weite ... was waren das nur für zeichen gewesen in den letzten tagen?




verstand, in seiner freundlichen art, es immer gut zu meinen, ärgerte sich und schimpfte: schon wieder! nicht gut aufgepasst etc. intuition dagegen, sehr viel feiner, fast zu überhören, stupfte sacht, wie ein hund es mit der schnauze tut, wenn er mit dir spielen will oder hinaus, wo er witterung aufnimmt und dich dann führt, auf eine wilde fährte in die ferne




jetzt inmitten dieses wuchernden glücks die erinnerung: vor langer zeit, kurz vor dem uniabschluss hatte ich schon mal etwas verloren - meine prüfungsangst. sie war schlimm angelaufen und eine weile versuchte ich vor ihr zu fliehen. aber sie war stärker. da blieb ich stehen, drehte mich um und nahm die szenen, die sie produzierte (sie endeten immer grauenhaft) als stoff für ein theaterstück. mit so etwas liesse sich auch geld verdienen. da! jetzt floh die angst. die schrecklichen phantasien versiegten. es wurde nichts aus dem theater, bis ich an die letzte mündliche prüfung musste bei einem mann namens scharfetter

was folgte war tatsächlich eine scharfe nummer. ich konnte seine frage nicht beantworten, weil ich gerade dieses kapitel nicht gelernt hatte. das war peinlich. an der maturaprüfung einige jahre zuvor hatte ich auch eine frage nicht beantworten können. damals wegen eines stillstands im kopf. dabei beherrschte ich jenen stoff im normalfall spielend. die prüfung endete mit der schlechtesten note der skala

jetzt aber bei scharfetter konnte mir nichts einfallen, weil gar nichts da war. ausser meinem theater. das spielte ich ihm ruhig vor mich hin improvisierend und offenbar perfekt. der prof durchschaute es natürlich, brach die prüfung vorzeitig ab, und entliess mich mit der zweitbesten note ... verflixt, das hatte sich gelohnt. aber was nur hatte ich verloren gehabt?