ich erinnere mich lediglich an eine schulstunde in meiner zeit am gymnasium. diese hat meinem leben allerdings eine entscheidende wendung gegeben. im deutschunterricht erzählte der lehrer von sigmund freud und der psychoanalyse und hielt ein taschenbuch hoch, auf dem ein stilisiertes gesicht abegebildet war ...
seelenforschung - davon hatte ich nie zuvor gehört, aber einige jahre früher eine weile an einer quälenden zwangsneurose gelitten, eine psychische erkrankung, die sigmund freud als erster verstanden und zu behandeln gewusst hatte. natürlich hatte ich mich fürchterlich für die kontrollzwänge geschämt und nie jemandem davon erzählt. ich musste am ende der grundschulzeit meine hausaufgaben sinn- und endlos immer von neuem überprüfen
obwohl ich mich immer zuverlässig auf prüfungen vorbereitete, schwankten meine resultate in den prüfungen extrem, zwischen bestleistungen und den schlechtesten noten. merkwürdigerweise besserten die leistungen gerade während der zeit der kontrollzwänge und so konnte ich spät noch an ein gymnasium übertreten. meine eltern waren an meinen schulleistungen nicht sonderlich interessiert. die lehrer machten mir für die leistungsschwankungen vorhaltungen, was mich zusätzlich verunsicherte und traurig machte. von den zwängen merkten meine eltern lediglich, dass ich mich in mein zimmer isolierte und erschöpft war. also strichen sie mir die zusatzfächer, die ich liebte: algebra und englisch
unmittelbar nach dem übertritt ans gymnasium verloren sich die zwänge zum glück. nach der einen lektion über sigmund freud begannen diese ereignisse aus früheren jahren zudem unerwartet sinn zu ergeben. ich fuhr also direkt nach dem unterricht hinunter zur buchhandlung wepf am rhein und fragte nach dem buch von freud. man zeigt mir eine palette taschenbücher mit dem immer gleichen, stilisierten gesicht. von welchem war wohl die rede gewesen? ich hatte keine ahnung und erstand den abriss der psychoanalyse, ein überblick, ausgerechnet ein schwieriges theoretisches werk. das alles noch vor dem mittagessen
ich habe dieses werk in den folgenden tagen mit grossem interesse durchgearbeitet, ganz allein. diese deutschstunde erwies sich als offenbarung: ich würde psychoanalytiker werden. auch wenn wesentliche elemente der psychoanalyse mein wirken als psychotherapeut bis zum schluss geprägt haben, durch die geheimnisvollen fügungen des lebens wurde am ende ein ganz anderer lehrer wegweisend für mich. jedoch bleibt es dabei: sigmund freud hat als erster gesehen, was mit mir los war, auch wenn ich ihm nie persönlich begegnet bin, und irgendwie gewusst, wie mir dies zu verstehen geben
zur zeichnung: eine rasch hingeworfene, kleine skizze auf verpackungspapier vom markt, eigentlich eine studie für ein anderes bild. aber am ende schien sie mir freud, so wie ich ihn sehe, am ehesten wiederzugeben
freunde und andere wurde inspiriert von einem gleichnamigen buch über den hamburger zeichner und maler horst janssen, welches zahllose porträts von freunden von ihm und eben anderen enthält. (s.a. literaturhinweis auf diesem blog). janssen ist mir vorbild geworden, seit ich ihn im dezember 2017 entdeckt habe
