tageszeichnung - rose

 

hommage an giorgio morandi

 

kaum aus dem bett habe ich heute die rose gemalt. welche überraschung: das malen erleichtert mir den übergang vom erlösenden segen des nächtlichen schlaf in den hauptsächlich von meiner krankeit geprägten tag - malen ist meine letzte destination hier

im leuchtturm geht der blick aus meinem fenster in einen hof, einen 'cortile', was mich an giorgio morandi (1890 - 1964) denken lässt und seine wunderbar zarten rosenbilder. der blick aus seinem atelier in bologna ging in einen dieser zauberhaften, alten hinterhöfe mit gärten, in welchem vermutlich rosen wild wucherten. vor vielen jahren bin ich heimlich in sein wohnhaus eingedrungen, als es gerade renoviert wurde, und stand eine weile vor der tür der wohnung, in der er einst mit seinen schwestern gelebt und gearbeitet hatte, ein unvergesslicher moment. morandi litt am ende seines lebens am gleichen leiden wie ich und war überdies am erblinden: ausgerechnet er, der sein leben dem sehen, dem malen und dem licht hingegeben hat

ich lebe in zwei welten - nachts
wer weiss schon wo ich dann war
wenn ich am morgen erwache
in den schmerzenden körper des tages

hände aus licht
tragen mich
da kein boden mehr hält
durch die tage

es gibt für mich
nichts mehr zu tun
ausser mit malen und worten
einige zeichen setzen

am abend horche ich erschöpft
auf die geräusche der stadt
und warte geduldig
auf das geschenk eines tiefen schlafs

vom gedicht hände aus licht existiert eine audioversion (link), bitte über kopfhörer anhören. stimme: frank wartenweiler, harfe und arrangement: veronika ehrensperger. weitere vertonungen von poesie, haikus und texten auf der seite poems + haikus (audio) (link)

tageszeichnung - motto

hinsehen statt fernsehen
kritzeln statt surfen
zeichnung statt zeitung