via francigena II




auch dieser anlauf fand ein denkwürdiges ende - buchstäblich im schlamm. ich sollte einen bach queren, um in eine naturschutzzone zu gelangen. jedoch schon die menge an wasser liess das vorhaben zweifelhaft ...
erscheinen. am ufer, noch bevor ich im wasser stand, versank ich mit beiden füssen bis über die knöchel in schwerem, lehmigem schlamm, aus dem ich kaum mehr herauskam. also zurück zu einer lärmigen, vielbefahrenen strasse. davon hatte ich in den vergangenen tagen schon zu viele gesehen. ich stieg in den nächsten bus nach fornovo und fuhr tags darauf nach hause, kurz vor dem apennin

ich habe auch viel schönes gesehen, wie am ersten tag in pavia den eindrücklichen dom




oder die torri medievali




und vor dem start am morgen genoss ich den kaffee in einer typischen bar an der piazza vittoria mitten in der altstadt




danach wanderte ich stundenlang, tagelang wieder in der ebene, in einer landschaft, die nur unmerklich ändert und immer wieder ähnlich aussieht. rasch verlor ich jedes gefühl für zeit und raum





immer wieder kleine, unspektakuläre dörfer. nein, da gibt es keinen tourismus. da findet das normale, gewöhnlich leben statt. am tiefsten berührt hat mich in diesen tagen die grosse und selbstverständliche hilfsbereitschaft der menschen in den ländlichen regionen. und ich war auf sie angewiesen wie selten auf anderen wanderungen. - hier eine strassenecke in orio litta, abends gezeichnet aus der wunderschönen und gepflegten pilgerunterkunft der gemeinde. es regnet




ab pavia hatte ich im unterschied zu allen vorangehenden etappen viel auf asphalt zu gehen - und zusehends entlang von dicht befahrenen fernstrassen. wenn man das schon nur mal eine halbe stunde lang gemacht hat, weiss man woran unsere zivilsation ist: sie lebt von einer ungeheuren destruktivität. alle ökobewegungen und klimademonstrationen, so notwendig sie sind, nähren lediglich unsere illusionen und werden daran nichts mehr ändern

in die stadt piacenza wanderte ich während über einer stunde bei strömendem regen einer solchen strasse entlang, zum glück auf einer getrennten spur. es hatte etwas faszinierendes: anonyme einkaufszentren, industrie, bahnlinien und schliesslich gut eine halbe stunde lang auf einer endlosen brücke über den po. dann plötzlich die schöne und ruhige altstadt. ich nächtigte an einer ausfallsstrasse in einem hotel für geschäftsleute, ein zwar bequemes haus, aber mit öder ausstrahlung - wie überall in städten dieses typische, widerliche handygefummel, selbst im frühstücksraum




am morgen vor dem start fand ich noch eine schöne bar in der altstadt. ach wie wohltuend




und dann ging es wieder für stunden und tage in die ebene mit ihren cascinas. in einer konnte ich sogar nächtigen - bei emilio premoli im agriturismo mancassola in pontenure, ein wunderbarer ort. welch ein kontrast zur stadt




mittagessen in der trattoria lo scoiattolo am weg, in costamezzana, einem kleinen dorf: hier essen einheimische, arbeiter. der empfang war herzlich und der wirt oliviero brachte mir noch vor dem essen einen pilgerstempel und ein gästebuch. den pilgerpass hatte ich im regen längst verloren. was will ich mit all diesen stempeln? dieses mal nahm ich ihn als anlass für eine kleine zeichnung von meinem tisch auf die strasse hinaus. der stempelabdruck ziert den tisch. oliviero hat sich sehr über diese würdigung gefreut. nota bene: seine gnocchi mit spinat sind die besten, die ich je gegessen habe. und oliviero ist stolz auf sie




die letzte nacht verbrachte ich im hotel cavalieri in fornovo, ein stimmungsvolles, altes haus, ganz in efeu gekleidet, mit kleinem park. ja es gibt sie noch solche orte mit charme. aber ich ahne, dass diesem hotel ein ähnliches schicksal droht, wie vielen anderen, die ich bereits geschlossen vorfand. es kommen nur noch wenige gäste, arbeiter und kleine händler. dies ist der ausblick vom hotel auf ein einfaches landhaus




vor der rückfahrt in einer bar den letzten kaffee in gesellschaft der alten. wenigstens die bar la spezia habe ich noch erreicht, wenn auch nicht wie geplant die gleichnamige stadt. wer weiss, vielleicht nehme ich nochmals anlauf, um eines tages doch noch den apennin zu fuss zu queren




zu guter letzt: pilgerreisen sind hart, nicht urlaub, denn sie lehren einen viel über unser gegenwärtiges leben. und dieses ist alles andere als idyllisch. das war nie anders. - die asphaltrouten waren der endgültige tod wenn auch nicht meiner knochen so doch eines paars wandersandalen. sie landeten noch vor der abreise mit eineinhalb führern im kehricht. die führer waren veraltet, selbst der von 2018. wie befreiend, dinge sofort loszuwerden, die zu nichts mehr taugen. auch das ist pilgern. ich habe mich nie als pilger verstanden. und doch habe ich dieses jahr verstanden, worum es dabei geht