was in den alpen fehlt...

    der bezaubernde klang von allgegenwärtigem lärm
    zartblau schwebende abgasschwaden, welche unserem geruchssinn schmeicheln
    liebenswürdiges drängen und stossen gestresster menschen, die - in autos, auf motor- und fahrrädern oder zu fuss vorbeihetzend - ständig in eile sind
    die fröhliche bilderflut der werbung mit ihren hohlen versprechungen
    schmucke warenhäuser mit überfüllten regalen, welche daran erinnern, was man alles noch an überflüssigem erstehen könnte
    dienstbeflissene medien, die jeden wahllos mit einer menge an auskünften bedrängen, von denen kaum eine persönlich relevant ist
    meist auch die praktische handyverbindung (gottseidank!) - und damit nicht nur die vielen erfreulichen 'push'meldungen sondern ebenso der göttliche anblick von blassen geistern, die ihre augen andauernd auf ein display gerichtet halten und verstört in der gegend umher irren

    Boten des Herbsts


    Nach vielen sonnigen Tagen hatten sich rundum Wolken aufgetürmt, wie ich auf dem Passo di Andolla über Mittag beobachten konnte. Am späten Nachmittag dann - ich war bereits im sehr gastfreundlichen Rifugio Città di Novara (1474 m) in der Valle Antrona einquartiert - begann es zu regnen, erst sachte, dann immer heftiger. Als der Regen eine Weile aussetzte, stieg ich in den urtümlichen Weiler Cheggio hoch. Er war menschenleer, alle Fensterläden verriegelt. Ein letztes Auto mit zwei Älpler fuhr ins Tal. Wir waren eine handvoll Leute im Rifugio, wahrscheinlich die einzigen hier oben. Nochmals leuchtete der Himmel in warmem Gelb auf und liess mir gerade Zeit für eine Skizze, bevor es eindunkelte. Als wir gemütlich vereint und in guter Stimmung um den Tisch sassen und vom Wirtepaar im warmen Rifugio vorzüglich verwöhnt wurden, konnte es regnen, soviel es wollte ... und das tat es dann auch, die ganze Nacht und den folgenden Tag. Der Herbst hatte ein Zeichen gesetzt. Zeit aus den Bergen hinunterzusteigen ... ?

    Begegnungen in den Alpen


    Bergbauer beim Heuen

    Ich war wohl etwas schneller, so dass ich im steilen Bergwald plötzlich hinter ihm herging. Er trug eine ansehnliche Menge langer, dicker und dürrer Äste, zum feuern im Winter. Sein Bündel war geschickt gebaut. Er trug es über der linken Schulter, über der rechten seinen Stock, mit dessen  gebogenen Ende er das Holz zusammenhielt. "Freihändig" stieg er auf diese Weise wendig und mit sicherem Schritt den steilen, gewundenen Pfad hinunter, ohne irgendwo anzustossen. Welch anmutige Eleganz! Bei einem Baum hielt er und lehnte mit einer einzigen, schnellen Geste das Bündel daran, ohne dass ein Ast zu Boden fiel. "Pesante!", meinte ich. "Nein", erwiderte er, "das ist NORMAL", und betonte lachend das letzte Wort. Wie ahnungslos ich doch war. Er dachte nicht daran, auch nur einen Moment Pause zu machen. Er hatte einzig gehalten, um an der Stelle weiteres Holz zu sammeln.